Ich möchte die Geschichte meiner Familie aufschreiben, weil sie mittelbar durch die deutsche Teilung nach dem 2. Weltkrieg und die daraus resultierende innerdeutsche Grenzziehung geprägt wurde Meine erste Erinnerung an meine Kindheit habe ich mit fünf Jahren. Ich liege in meinem Kinderbett mit Gitterstäben, werde wach, weil großer Lärm im Haus ist. Es wird an die Zimmertür geschlagen und man ruft, ich solle doch aufmachen. Es ist dunkel im Schlafzimmer und am Fenster im ersten Stock erscheint ein Mann mit einer Laterne. Er lacht und will mir begreiflich machen mit Gesten, ich soll das Fenster von innen öffnen, damit er ins Zimmer kommt. Das Gepolter vor meinem Schlafzimmer, das Geschrei von vielen Menschen lassen mich unter die Bettdecke kriechen und die Ohren zuhalten. Was ist los bei uns in dem großen Bauernhaus, in dem es nach Beginn des Krieges doch sehr ruhig geworden ist. Es war im Frühjahr 1941, an einem der ersten schönen warmen Tage im Jahr, an denen Kinder das erste Mal wieder Kniestrümpfe anziehen durften. Die Eltern waren auf dem Feld, um Frühjahrsarbeiten zu tun. Ich war alleine zu Hause, eigentlich auch nicht, denn ich hatte viele Freundinnen und Cousinen, fast in jedem Haus. Das Landjahrmädchen Liselotte war nicht da, um auf mich aufzupassen, wie es ihre Pflicht eigentlich sein sollte. Mit etlichen Kindern aus der Nachbarschaft durchstöberten wir die Scheune. Das letzte Heu lag noch dort und bot viel Gelegenheit , die uralten Kinderspiele zu spielen. Verstecken, eine Höhle bauen, Herumtoben, das war angesagt. Nach der Scheune zogen wir Kinder in den Grasgarten, die ersten Gänseblümchen zu suchen. Zwischen Scheunengebäude und Grasgarten lag der eingezäunte und mit einem Türchen verschlossene Hausgarten. Vor vierzehn Tagen hatte meine Mutter den Garten bestellt, hatte Beete angelegt, gedüngt und den Samen für Runkelrüben, Kraut und Blumenkohl ausgesät. Ein wichtiger Termin, hing doch die Ernte des Gemüses von der günstigen Aussaat der Pflanzen ab. Nachdem wir Kinder Scheune und Garten durchstreift hatten, wandten wir uns dem Holzhaus zu, es war ein ehemaliges Haus, das zur Zeit aber nicht mehr bewohnt wurde und als Aufbewahrungsort für Holz und andere Brennstoffe diente. An einem Türbalken hing eine Schaukel, wir gedachten uns etwas auszuruhen, denn von dem Herumtoben waren wir müde geworden. Jeder durfte einmal auf die Schaukel.
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