Trotz aller Veränderungen, die in unserer Umgebung vor sich ging, richteten wir uns ein. Die Eröffnung der Gastwirtschaft war mit Schwierigkeiten verbunden. Mein Vater als ehemaliges Mitglied der NSDAP mußte erst einen Antrag auf Entnazifizierung stellen. Dieser Behördenweg dauerte etwa zwei Jahre. Da er kein Amt in der Partei begleitet hatte, durfte er 1947 das Gasthaus mit zwei Fremdenzimmern für Übernachtungen eröffnen. Seine Hoffnungen, nun wieder einen florierernden Gasthof zu führen, erfüllt sich nicht. Er konnte nur bedingt Mahlzeiten auf Lebensmittelkarten anbieten, die Ausflügler aus Neustadt trauten sich nicht mehr, durch die Mues zu spazieren. Sie hatten Angst vor den Russen, außerdem war es verboten, die Zonengrenzen zu überqueren. Durchreisende von Ort zu Ort gab es nicht mehr. Eine Geselligkeit wollte sich in der Bevölkerung nicht einstellen. Die Menschen waren bedrückt. Unsicherheit auf allen Ebenen des Lebens war das Prägende dieser Zeit. Außer Kirchweih im Herbst und einem Kinderfest zu Pfingsten gab es im Dorf keinerlei Vergnügungen. Vorherrschend war der Mangel an alltäglichen Dingen. Zeitweise wurde wieder Brot im Backofen selbst gebacken. Im Herbst wurden Zückerrüben zerkleinert, im Kessel über Tage hin gekocht, um aus den Rüben Sirup zu gewinnen. Er war dunkelbraun, zähflüssig und natürlich süß. Die erste Mahlzeit am Tage war in jedem Haus Malzkaffee und Sirupbrot. Es gab keine Seife zu kaufen, also kochten wir diese zum Waschen der Wäsche selbst. Streichhölzer waren gleichfalls Mangelware. Um ein Herdfeuer anzuzünden, wurde ein Fidibus aus Zeitungspapier an einem Gerät entzündet, das in der Steckdose angebracht war und eigentlich nur aus zwei Drähten bestand. Diese Drähte wurden rotglühend, man hielt das Zeitungspapier daran und ging mit offenem Feuer schnell zum Herd und entzündete das vorbereitete Reisig. Kohlenanzünder oder dergleichen gab es nicht. Da es auch keine Kohlenzuteilungen gab, half man sich auch wieder. Der Sägespäneofen wurde entwickelt. In der Gaststube wurde der schöne braune Kachelofen entfernt, der hässliche Sägespäneofen stand an seiner Stelle, er war eine Erfindung der Nachkriegszeit. Er bestand aus zwei ineinander passenden Blechzylindern, ca. 60 cm Durchmesser hatte der äußere, er stand auf vier Füßen und hatte einen Deckel zum Abdecken. Der innere Zylinder war etwas kleiner, hatte aber ein rundes Loch für Luftabzug und Sauerstoffzufuhr, dafür aber keinen Deckel. Dieser einzuhängende Zylinder wurde jeden Morgen herausgenommen und mit neuen Sägespänen gefüllt, wobei das Einfüllen der Späne wichtig war. Nach jeder eingegebenen Schaufel mussten die Späne gehörig festgeklopft werden, so ähnlich wie bei der Herstellung von Sauerkraut. Die Anstrengung lohnte sich. Die Wärme, die der hässliche Ofen spendete, war sehr langanhaltend, fast wie die eines Kachelofens. Die gepreßten und gestampften Sägespäne ergaben kein offenes Feuer, es glimmte nur vor sich hin. Das erste Weihnachtsfest nach dem Krieg war für uns Kinder eine Enttäuschung. Wir empfanden es als großen Mangel, dass Adolf nicht mehr da war. Bei der Herstellung von Kerzen stellten wir fest, dass unser Vater lange nicht so geschickt war wie Adolf.Große Niedergeschlagenheit, keiner kümmerte sich um unsere kaputtgegangenen Spielsachen. Der Vater verlor für uns den Heiligenschein. Wir maulten, Adolf hat es besser gemacht, Adolf hat uns bei diesem und jenem geholfen. Auch fehlten die anderen Kinder, die im Jahr vorher noch mit uns das Weihnachtsfest feierten.
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