Meine Eltern trafen sich jedes Wochenende mit den "Sonnebergern" in einem Sportlerheim, etwas außerhalb der Stadt gelegen. Die meisten fanden sich mit der neuen Situation ab, zumal wenn sie eine normale Wohnung erhalten hatten. Nicht so einfach war es mit ehemaligen Bauern. Unsere Verwandten waren mit fünf Personen in ein einziges Zimmer eingewiesen worden. Es war in einem schönen Zweifamilienhaus, aber fünf Personen in einem Zimmer ist unmenschlich. Mein Onkel war 50 Jahre alt, als die Familie ausgesiedelt wurde. Er war Landwirt und Pferdezüchter aus vollem Herzen und sollte nun in der Stadt in eine Fabrik gehen und seine Familie ernähren. Er konnte es einfach nicht, er wollte etwas tun an der frischen Luft und Umgang mit Tieren haben. In der Jenaer Brauerei fand er, was er suchte. Mit zwei starken Pferden und einem großen Bierwagen fuhr er die Gasthäuser an und lieferte Bier und andere Getränke aus. Es war eine schwere Arbeit, er war aber zufrieden mit seinen Pferden und einer gewissen Selbständigkeit. Wenn man sich sonntags traf, hatte er immer Deputatbier mit, mein Vater bekam Deputatfleisch aus dem Schlachthof - so halfen sich die Familien gegenseitig und überstanden die ersten Jahre. Heute wissen wir, dass diese Zusammenkünfte der "Sonneberger" von der örtlichen Staatssicherheit überwacht wurden. Der Mensch kann sich daran gewöhnen, immer beobachtet und überprüft zu werden, wie man es ebenfalls mit den Zwangsausgesiedelten praktizierte. Hinter der vorgehaltenen Hand wurden sie auch am Arbeitsplatz kritisch angeschaut. In jeder Betriebsparteigruppe wurde vor ihnen gewarnt, diese "Klassenfeinde" sollten scharf beobachtet werden, denn wegen nichts und wieder nichts wird man ja nicht zwangsausgesiedelt. - So die Meinung der Genossen. Es waren aber auch andere Menschen da, die ganz anders auf uns zugingen, uns bedauerten und sagten, was haben sie denn mit euch nur gemacht, kann ein Staat denn so mit seinen Bürgern umgehen? So dachte auch mein Vater und schrieb eine Eingabe an den Innenminister des Landes Thüringen. Mit Schreiben vom 12. 7. 1952 legte er Einspruch gegen die erfolgte Zwangaussiedlung ein. Schon am 29. 7. 1952 erhielt er eine Antwort vom Innenminister Gebhardt: "Auf Grund Ihres antidemokratischen Verhaltens gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik fallen Sie unter den Personenkreis, der nach der Regierungsverordnung auszusiedeln ist. Ihre Aussiedlung ist somit zu Recht erfolgt. Ihr Einspruch wird daher abgelehnt. Die Entscheidung wird Ihnen hiermit schriftlich zugestellt und ist endgültig."
| Antwort auf den Einspruch |
Mein Vater versuchte es am 29. 6. 1953 noch einmal, indem er ein Schreiben an den Rat des Kreises Sonneberg richtete mit einen Antrag auf Rückgabe seines landwirtschaftlichen Betriebes in seinem Heimatort.Er begründete seinen Antrag mit dem Ministerratsbeschluß vom 11. 6. 1953. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.
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