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 Rückblick des Jahres 1930
 Geschäft wird immer weniger.
 Der Bauer hat kein Geld.I. durch die ungeheure Arbeitslosigkeit,
 II. durch den kolossalen Steuerdruck und 
 III. durch die sehr niedrigen Preise der 
 landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
 
  
 | Bierverbrauch 1930 |  | vom Brauhaus | 89,28 Hklt |  | von Höllein, Zedersdorf | 41,02 |  | Sa. 130,30 Hklt |  
 Durch den Brand kamen wir zu dieser Höhe, es hatte doch etwas 
 Einfluß auf das Geschäft. Monat April 19 Hklt., aber in dem Moment, 
 da Knauer seine Bretterbude eröffnete, war es bei uns aus. Mit wenig 
 Ausnahmen verkehrten die Handwerksleute und Meister nur dort. 
 Wollen mal sagen, der Brand machte 20 Hklt. aus, verblieben dann nur 110 Hklt. 
 für 1930. Landwirtschaft? Will ich lieber nicht schreiben. 
 
  
 Heute sind es 60 Jahre, daß im Spiegelsaal zu Versailles das Deutsche Reich 
 gegründet wurde. Überall sind deswegen Feiern. Die Zeitungen 
 bringen die Bilder der großen Männer, die seiner Zeit das Reich 
 gegründet haben. Dienstag und Mittwoch haben wir Eis gemacht. War 
 schönes Wetter dazu und 10 bis 12 cmtr. stark. Gemacht haben es die 
 Steiners zu dritt. Ich gab ihnen 20 M, vorigtes Jahr waren es 15 M. Gleich nach 
 dem Eismachen ging ganz schlechtes Wetter an, so daß man draußen 
 nichts machen konnte. Die meiste Arbeit hat mir das Aufbauen des Eishauses 
 gemacht. Froh, daß der Kram geregelt ist.
 
 Früh 1/2 9 Uhr. Schneestürme, abwechselnd mit Sonnenschein, aber 
 sehr kalt dabei. Die ganze Woche über früh tüchtig gefroren, 
 öfters Eis auf dem Fluß und Mittag schön warm. 
 4 Fuder Sand in Neustadt geholt, à 50 Pfg., sehr schöner, 
 grobkörniger Felsensand. In der Thüringer Regierung gibts mal wieder 
 Krach.
 
 Heute vor einem Jahr war der große Brand. In diesem Zeitraum hat sich viel 
 verändert und meistens zum Besten der Abgebrannten. Ob die Erwartungen 
 des Knauers betreffs Geschäftlichen in Erfüllung gegangen sind, ist 
 fraglich. Richard Bauersachs haben die Gläubiger beim Wickel. Heutige 
 Einnahme 50 M. Mupperger Kirchenchor war Abends vertreten.
 
 Ein prächtiger Frühlingsmorgen, wie schon die ganze Woche 
 über. Mittwoch, Freitag und Sonnabend haben wir Torf gemacht bei 
 schönstem Wetter. Der Platz ist tüchtig voll, ungefähr 20 000. 
 Max hat geholfen. Heute Nachmittag hatte der Raiffeisenverein Versammlung 
 bezwecks Wahl eines neuen Rechners. Emmerich trat zurück. Gemeldet 
 haben sich Janker, Glaser, Schilling, Ernst Schmidt und Arno Langbein. Glaser und 
 Ernst Schmidt kamen zur engeren Wahl. Gewählt wurde Julius Glaser mit 18 
 Stimmen,. Lebhafte Debatten gab es an der Versammlung.
 
 | I. Pfingstfeiertag, den 24. 5. 31 | 
 Eine ereignisreiche Woche. Am Montag kam die Nachricht, daß Emmerich in 
 München gestorben ist. Emmerich, 52 Jahre alt (nicht zu verwechseln mit 
 Emmerich Wicklein, Heubisch, gen. Hänsel)starb durch Herzschlag. Er war 
 immer herzleidend und mußte sich gesundheitlich sehr in acht nehmen. Seine 
 Mutter will zur Beerdigung nach dort, infolge dessen gehen der hiesige Emmerich 
 und die Mühl Paula als Begleiter mit. Emmerich, um den Nachlaß zu 
 ordnen, Paula wegen der Tante. Dienstag früh fuhren sie hier weg. Der 
 Nachlaß wurde jedoch durch seinen Freund aus der Jugendzeit geregelt Die 
 Schwierigkeiten liegen in der Scheidung mit seiner Frau. Auf alle Fälle 
 erhält sie sämtliche Pension und ¼ seines Vermögens.
 In der Nacht am Freitag auf Sonnabend den 23. 5. 31 Nachts 1 Uhr weckte uns 
 Feuerlärm. Ich war schnell zu Stelle und sah, daß die Scheunen von 
 Baß Louis und Hänsels in hellen Flammen standen. Es dauerte nicht 
 lange, brannten die Scheunen von Schindhelms und Ferdinand Truckenbrodt 
 lichterloh, desgl. die Scheunen von Krautwurst und Knauer und zuletzt das Haus 
 von Heymann mit Nebengebäuden. Die Häuser von Ferdinand, 
 Schindhelm, Baß Louis und Heymann brannten gleichfalls nieder. Die 
 Häuser von Knauer, Krautwurst und Hänsels blieben verschont. Bei 
 Hänsels wuirde im Hause viel ruiniert, durch die Menge Wasser der 
 Motorspritzen.
 
 Wer war nun der Anzünder? Die Abgebrannten hatten wirklich kein 
 Interesse daran, denn Truckenbrodts, Baß, Hänsels ihre Gebäude 
 waren nur gut im Stande, die haben jährlich reingebaut und erneuert, was sie 
 an Barmitteln übrig hatten. 
 
  
 Freitag Abend das erste mal nach längerer Zeit mal wieder geregnet. Im 
 unteren Orte ganz wenig, naufwärts sehr viel, so daß wir gestern 
 früh draußen Sand pflanzen konnten. Gestern Nachmittag wieder ein 
 Gewitter, so daß weiter gepflanzt werden konnte. Die Woche über das 
 Krautfeld zurecht gemacht und den Torf bis auf eine Kleinigkeit weggebracht. Hafer 
 viel Unkraut und zu dünn. Gerste kein Unkraut und beinahe etwas zu dick. 
 Heute Abend Schützenball.
 Heymann und Schwämmlein haben sie wegen Verdacht auf Brandstiftung 
 eingesperrt.
 
 Ein prächtiger Morgen. Die Woche über war die Witterung gar nicht 
 besonders. Verhältnismäßig wurde auch zu wenig gearbeitet. 
 Infolge der Berichte an den amerikanischen Präsidenten Hoover von Seiten 
 der deutschen Regierung über die große Not bei uns stellte dieser bei 
 sämtlichen Gläubigern den Antrag, uns die Reparationssumme von 2 
 Milliarden für 1 Jahr zu erlassen, was auch , natürlich unter 
 französischen Schwierigkeiten und Vorbehalten, geschah. Aber ich glaube, 
 es nützt uns nicht viel. Wenn das Jahr rum ist, gehen die alten 
 Schwierigkeiten wieder von vorn und der Staatsbankrott und Bolschewismus ist 
 unausbleiblich. Denn unsere Regierung versteht nicht zu wirtschaften und gibt 
 für die öffentliche Hand viel zu viel Geld aus. Ihr Untergang ist 
 besiegelt. Sonst ist Deutschland nichts weiter als eine amerikanische Kolonie. Sonst 
 wären wir schon jetzt dem Untergang geweiht gewesen, das hält uns 
 vorläufig noch über Wasser.
 
 Sonnabend. Witterung: Kalt und regnerisch, das und die schlechte Wirtschaftslage - 
 ein schlechter Geschäftsgang. Auch die Neustädter, die alle Jahre 
 kamen, blieben aus. Infolge dessen fehlen 100 M. Einnahme. Am Sonntag 
 klärte sich die Witterung auf, wurde aber kalt. Der Besuch ließ zu 
 wünschen übrig. Die Esserei ging ganz schlecht, wieder hundert Mark 
 weniger wie vorigtes Jahr. 
 Montag: ein kalter Wind.
 
  
 | Einname | M | Ausgabe | M | 
|---|
 
 | Sonnabend | 140 | Hölleins Bier 750 Liter à 35 M, ohne Nachkirchweih | 262 |  
 | Sonntag | 410 | 1 Schwein 180 Pfd. à 70 
 Pfg. | 126 |  
 | Montag | 250 | 7 Gänse à 7 M | 50 |  
 	| von Fleischmann: 28 Pfd. Fleck à 40 Pfg.
 20 Pfd. harte Wurst à 1 M
 30 Pfd. Fleisch à 1 M
 | 62 |  
 	| von Großmann: 12 Pfd. Schinken,
 9 Pfd. Nierenbraten, Darm
 
 | 30 |  
 	| Zigarren, Zigaretten Likör u.s.w. | 120 |  
 	| Semmeln | 13 |  
 	| Nachkirchweih | 200 | 270 Liter Bier à 35 Pfg. | 100 |  | für Zigarren und Zigaretten | 30 |  | sonstiges | 10 |  
 | Summa | 1000 | Summa | 803 |  
 Überschuß 
 rund 200 M, davon geht ab 
 Reingewinn    100 M50 M Gemeindesteuer
 50 M andere Steuer und Bedienung
  	
 So sieht nun der Abschluß aus. Gänse wären wir noch 1 oder 2 
 los geworden. Bratwurst hatten wir 5½ Schock. Am 1. Tag nur 20 Pfd. davon 
 einigermaßen verkauft, am letzten sind sie doch noch weggegangen, waren 
 beinahe zu viel. Fleck gingen ganz schlecht, desgl. auch der Schinken und 
 Sauerbraten. Nierenbraten ging so mit Ach und Krach weg. Nächstes Jahr, wer es erlebt und wir noch normale Zeiten haben, 
 genügen 10 Pfd. Fleck, kein Großmannschinken und wenig 
 Rindfleisch. Mit der Esserei wird überhaupt Geld darauf gelegt, weil es eben 
 nicht geht und wo ein Geschäft nicht geht, wird nichts verdient. Sauerbraten 
 will kein Mensch haben, ebenso kein Rindfleisch mit Meerrettich. Wer 
 nächstes Jahr die Kirchweih hält, soll sich danach richten. An der 
 Nachkirchweih gabs die meisten Leute, der Verein nahm über 100 M ein
 
 Ein schöner Morgen, war die ganze Woche schön. Kartoffelmist in die 
 Heide gefahren und geackert. Heute Sonneberger Stadtratswahlen. Die Nazi haben 
 10 Sitze. Das Verhältnis ist 9 zu 12, also eine Rechtsmehrheit.
 
 Meist regnerische Witterung die Woche über, sonst nichts von Belang, nur 
 heute Kammerwahlen. 14 Nazi und 24 Landbund.
 
 Nebliges Wetter und Glatteis. Im Betrieb war nicht viel los. Einnahme 36 M. Sonst 
 das alte bekannte Bild.
 Die vorigte Woche war eine Schwurgerichtsverhandlung in Coburg, die mich sehr 
 interessiert hat. Ein Oberstleutnant v. Brotterode, 63 Jahre alt, erschoß seine 
 Frau, eine geborene v. Münchhausen, aus Bockstadt bei Eisfeld. Die 
 Sachverständigen, 5 Ärzte, davon 2 aus Coburg, die anderen aus 
 Nürnberg, Erlangen und Würzburg, stellten momentane 
 Unzurechnungsfähigkeit während der Tat fest, infolge dessen wurde er 
 freigesprochen.
 Der Staatsanwalt hatte 2 Jahre Gefängnis beantragt. Die näheren 
 Umstände waren recht interessant.
 
 Wieder ein nebliger Tag . Der Turnvereinball gestern war nicht gut besucht. Unsere 
 Einnahme 95 M. Die Stube war gut besetzt, aber im Saale fehlte es eben. Ich 
 wunderte mich nicht darüber, wenn kein Mensch mehr ins Wirtshaus ginge, 
 die Zeiten wären wirklich dazu angetan. Kein Mensch hat Arbeit. Der 
 Arbeitslose hat kein Geld fürs Wirtshaus, der Bauer ebenso gut nicht, weil 
 die Preise seiner sämtlichen Erzeugnisse den jetzigen Verhältnissen in 
 keiner Weise angepaßt sind. Es bleibt nur der Beamte übrig, der noch 
 ins Wirtshaus gehen kann. Das Ende des Jahres 31 paßt sich eben dem 
 Anfang des Jahres 32 an. Was wird uns die Zukunft bringen?
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